Schützenfeste sind tief in unserer Kultur verwurzelt und bieten eine Gelegenheit, sich zu treffen, zu feiern und gemeinsame Erinnerungen zu schaffen. Doch inmitten der Feierlichkeiten stellt sich die Frage, ob solche Veranstaltungen der geeignete Rahmen für intensive Gespräche sind. Besonders in unserer heutigen Zeit, geprägt von Corona, Krieg und globalen Veränderungen, hat sich die Art und Weise, wie wir kommunizieren und uns verbinden, verändert.
Erwartungen und Realität
Erwartungen prägen unsere Erlebnisse stark. Ein Schützenfest vereint Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen, Talenten und Erwartungen. Diese Erwartungen können oft enttäuscht werden, weil sie Dinge vorwegnehmen, die die Realität nicht immer erfüllen kann. Während einige Menschen sich auf vertraute Gesichter freuen und den Trubel genießen, sind andere möglicherweise auf der Suche nach intensiven Gesprächen und emotionaler Verbundenheit.
Erfahrungen und Erkenntnisse
Ich selbst bin ohne Erwartungen zum Schützenfest gegangen. In den Blicken eines Gegenüber fand ich jedoch eine Einladung, intensiver zu sprechen. Ein einfacher Austausch begann mit der Frage: „Darf ich dich was fragen?“ und entwickelte sich zu einem aufschlussreichen Gespräch. Überraschenderweise lernte ich viel über mich selbst und die Gemeinschaft, obwohl ich nichts erwartet hatte.
Nähe und Distanz auf dem Schützenfest
Psychologisch betrachtet ist Nähe ein grundlegendes menschliches Bedürfnis. Sie bietet Sicherheit, Geborgenheit und emotionale Unterstützung. Auf einem Schützenfest entstehen Momente der Nähe oft spontan und ungeplant. Die gemeinschaftliche Atmosphäre, das gemeinsame Erleben von Ritualen und Traditionen schafft eine Grundlage, auf der Nähe aufgebaut werden kann.
Allerdings kann die Lautstärke und der allgemeine Trubel die Fähigkeit zur echten emotionalen Nähe beeinträchtigen. In einem solchen Umfeld sind Menschen oft weniger geneigt, sich wirklich zu öffnen und intensive Gespräche zu führen. Die Nähe, die hier entsteht, ist häufig oberflächlicher Natur und wird durch die Umstände des Festes beeinflusst. Dies spiegelt sich auch in den Beobachtungen von Prof. Dr. Volker Busch wider, der in seinem Podcast „Gehirn gehört“ darauf hinweist, dass echte emotionale Nähe und intensive Gespräche in ruhigen und sicheren Umgebungen besser gedeihen
Verantwortung in Gesprächen
Aus psychologischer Sicht ist jeder Gesprächsteilnehmer für das Gelingen eines intensiven Gesprächs verantwortlich. Intensiv bedeutet hier, dass beide Seiten aktiv zuhören, ehrlich kommunizieren und sich wirklich auf den anderen einlassen. Aktives Zuhören bedeutet, dass man nicht nur auf die Worte des anderen hört, sondern auch auf deren Emotionen und Körpersprache achtet. Ehrliche Kommunikation setzt voraus, dass man seine Gedanken und Gefühle offen teilt, ohne sich hinter Höflichkeitsfloskeln oder Ausweichmanövern zu verstecken. Schließlich erfordert das Einlassen auf den anderen, dass man sich auf dessen Perspektive einlässt und Empathie zeigt.
Die Spiegeltechnik und die Rolle der Fehlinterpretation
Ein weiteres Phänomen, das auf Schützenfesten beobachtet werden kann, ist, dass manche Menschen die Spiegeltechnik unbewusst nutzen, um sich in eine Rolle des Fehlinterpretieren zu begeben. In einer lauten und hektischen Umgebung wie einem Schützenfest kann es leichter fallen, Missverständnisse oder Konflikte zu erzeugen, indem man das Verhalten und die Worte anderer verzerrt wahrnimmt und interpretiert.
Menschen, die fehlinterpretieren, neigen dazu, sich selbst und anderen einzureden, dass sie unfair behandelt wurden. Dies kann durch die Spiegeltechnik verstärkt werden, da sie die negativen Aspekte im Verhalten des Gegenübers betonen und diese auf sich selbst projizieren. Diese Projektionen können dann als Bestätigung der eigenen negativen Gefühle und Erfahrungen dienen.
Durch die bewusste oder unbewusste Anwendung der Spiegeltechnik, fühlen sich diese Menschen oft bestätigt in ihrer Rolle. Der Grund dafür kann sein, dass sie Ihre eigenen Gefühle nicht wahrnehmen und dann ihre erlernte Bewältigungsstrategie anwenden. Mehr zum Thema Bewältigungsstrategien findest du in meiner Sonntagslektüre: Schützenfest im Dorf – Eine Reise durch Freude und Nachdenklichkeit.
Was besagt die Spiegeltechnik?
Die Spiegeltechnik ist eine Methode, bei der wir unbewusst das Verhalten, die Mimik und Gestik unseres Gegenübers nachahmen. Dies geschieht oft ohne, dass wir es bemerken, und hilft uns dabei, Empathie zu entwickeln und eine tiefere Verbindung herzustellen. Durch das Spiegeln zeigen wir dem anderen unbewusst, dass wir ihn verstehen und seine Gefühle teilen. Dies schafft eine vertrauensvolle Atmosphäre und erleichtert die Kommunikation. Es verdeutlicht, wie stark unsere Wahrnehmungen und Reaktionen von unseren eigenen Erfahrungen, Gefühlen und Gedanken beeinflusst werden.
Parallelen zur Weltgemeinschaft
Die Dynamik eines Schützenfests spiegelt in gewisser Weise die größere Weltgemeinschaft wider. Die eine Person freut sich auf alte Bekannte, während die andere ihre sozialen Fähigkeiten auslebt oder sich von der Lautstärke, die ein Schützenfest mit sich bringt, gestört fühlt. Positive Beziehungen befriedigen unser Bedürfnis nach Zugehörigkeit und Verbundenheit, was besonders in stressigen Zeiten wie diesen von großer Bedeutung ist.
Lästern und Gemeinschaft
Lästern ist ein Phänomen, das häufig auf solchen Veranstaltungen vorkommt. Es kann kurzfristig eine Verbindung schaffen, doch langfristig schadet es dem Vertrauen und der Gemeinschaft. Es wird oft als Ventil für unausgesprochene Spannungen genutzt, kann aber destruktive Auswirkungen haben.
Gesellschaft nach Corona
Nach der Corona-Pandemie hat sich unsere Gesellschaft in vielerlei Hinsicht verändert. Es hat eine deutliche Entwicklung hin zu einer Gesellschaft gegeben, die mehr für sich bleibt. Gleichzeitig sind die Fälle von psychischen Erkrankungen, auch bei Kindern, deutlich gestiegen. Laut einer Statistik des Robert Koch-Instituts leiden etwa 20% der Kinder und Jugendlichen in Deutschland an psychischen Auffälligkeiten.
Prof. Dr. Volker Busch betont in seinem Podcast „Gehirn gehört“, wie wichtig es ist, in Krisenzeiten handlungsfähig zu bleiben und Mut zu entwickeln. Er spricht darüber, wie Stress und Isolation unsere geistige Gesundheit beeinflussen und wie wir durch positive Interaktionen und Beziehungen dagegen steuern können
Frühere Blogbeiträge
In meinen früheren Blogbeiträgen wie „Erstmal Ankommen“ und „Liebe und Hoffnung: Udo und Gabrieles Rezept fürs Leben“ habe ich bereits darüber gesprochen, wie wichtig es ist, in einer hektischen Welt Zeit für sich selbst zu finden und positive Beziehungen zu pflegen. Diese Themen bleiben auch in Zeiten des Wandels relevant und zeigen, wie wir durch einfache, aber bewusste Handlungen unser Wohlbefinden und das unserer Gemeinschaft verbessern können.
Was habe ich über mich gelernt?
Nicht jeder Blick ist eine Einladung. Ein Blick kann trügen, denn die Augen, die den Blick wahrnehmen, gehören einem Menschen mit anderen Erfahrungen. Prof. Dr. Volker Busch erklärt in seinem Podcast „Gehirn gehört“, dass das, was wir in einem Blick sehen, oft der Spiegel unserer selbst ist
Ein Mensch behandelt andere oft so, wie er sich selbst fühlt. Aus psychologischer Sicht bedeutet dies, dass unsere eigenen Gefühle und Selbstwahrnehmungen unser Verhalten anderen gegenüber stark beeinflussen. Wenn jemand sich beispielsweise unsicher oder unzufrieden fühlt, kann er diese Gefühle auf andere projizieren und sie entsprechend behandeln. Dies zeigt, wie wichtig es ist, sich seiner eigenen Emotionen bewusst zu sein und sie zu reflektieren, um gesunde und positive Beziehungen zu führen.
Fazit
Ein Schützenfest mag für den einen oder anderen nicht der ideale Ort für intensive Gespräche sein, aber es bietet dennoch eine Plattform für menschliche Interaktionen und Erkenntnisse. In einer Welt, die sich zunehmend isoliert, erinnert es uns daran, dass Gemeinschaft und echte Verbindungen unerlässlich sind. Es liegt an uns, diese Gelegenheiten zu nutzen, um mehr über uns selbst und unsere Mitmenschen zu lernen, selbst wenn der Rahmen nicht immer perfekt erscheint.
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